Pizza und Traumprinz

Wir – mein Partner und ich – sind bei Stefan zu Pizza eingeladen. Stefan ist rund 15 Jahre jünger als wir, wir kennen ihn schon viele Jahre und wir sind in dieser Zeit Freunde geworden. Eigentlich ist kein Gesprächsthema tabu – und das ist doch sehr gut so.

Stefan ist ein grosszügiger Gastgeber. Seine Pizza mit selbstgemachtem Teig ist der Hammer! Und die (alkoholischen) Getränke fliessen jeweils üppig: Vom Prosecco zum Apéro über den Rotwein zur Pizza bis hin zum Likörchen zum Espresso.

Wir geniessen den Apéro, den Prosecco und die Häppchen und Stefan sagt plötzlich so aus dem Nichts zu uns: «Habe euch am letzten Samstag im ISC vermisst.» «Oh», sage ich. Was eigentlich erstaunt klingen sollte, aber eigentlich bedeutet: «Ach, eigentlich verbringen wir den Samstagabend lieber in trauter Zweisamkeit zuhause in der warmen Stube.» Trotzdem frage ich interessiert: «Wie war es? Hatte es viele Leute? War die Musik gut?» Keine Antworten auf diesen Fragen. Dafür meint Stefan mit enttäuschtem Unterton: «Mein Traumprinz war nicht dabei.» Er habe allein nachhause gehen müssen.

Stefan kommt ins Grübeln. Er sei jetzt dann schon bald 50. An Sexpartnern fehle es zwar nicht, aber ein «fester» Freund wäre halt schon toll. Walter und ich seien für ihn das grosse Vorbild. «Könnt ihr mir das Rezept eurer langjährigen Partnerschaft verraten?», fragt er mit grossen und fragenden Augen in unsere Richtung.

Noch bevor wir darauf antworten konnten, vibriert Stefans Smartphone. Er springt auf, eilt in die Küche, die Pizza ist fertig. Einen Moment später sitzen wir am Tisch und mampfen Pizza. Sofort entschuldigt sich Stefan dafür, dass der Teig zu dünn, zu salzig sei und der Büffelmozzarella auch nicht so lecker sei, wie er gehofft habe. «Blödsinn», sagte ich, «deine Pizza ist wunderbar und der Teig genau richtig». Ich hebe das Rotweinglas und sage etwas zu laut: «Prost Stefan, auf deine perfekte Pizza». Und Walter ergänzt – mehr feststellend als fragend: «Warum machst du dich immer selbst so runter?»

Bei der zweiten Runde Pizza landet unser Gespräch unweigerlich wieder beim Thema «Traumprinz». «Es sei halt wichtig, den Partner so zu akzeptieren, wie er eben ist», erklärt Walter. «Dazu gehört gegenseitiger Respekt der guten, aber auch schlechten Seiten des Gegenübers.» Es sei auch wichtig zu akzeptieren, dass sich alle beteiligten Partner in einer Partnerschaft mit der Zeit verändern. «Eine gute Beziehung ist doch wie Yin und Yang», ergänze ich fast etwas altklug. «Dieses Symbol steht für Gegensätze und dennoch aufeinander bezogene Kräfte und Prinzipien.»

Die Augen von Walter wandern zuerst zu mir, dann zu Stefan, als er fast streng zu uns sagt: «Zum gegenseitigen Respekt gehört aber auch das gegenseitige Vertrauen ineinander.»

Dessert. Kaffee. Und wie immer, wenn wir bei Stefan zu Besuch sind, müssen wir plötzlich auf das letzte Tram pressieren. Küsschen hier und Küsschen da. «Es war ein toller Abend», sagt Walter. «Das nächste Mal bei mir», sage ich. «Dein Traumprinz ist natürlich herzlich willkommen!»

Studie zur Queerfeindlichkeit in der Schweiz

Im November 2024 ist im Auftrag von Amnesty Schweiz eine Studie veröffentlicht worden, die queerfeindliche Gewalt und Diskriminierung sowie die Wahrnehmung der queeren Gemeinschaft in der Schweizer Bevölkerung beleuchtet.

Fazit aus der Befragung: Die Bevölkerung hegt mehrheitlich Sympathien und zeigt sich tolerant. Zugleich beobachten queere Personen aber eine Zunahme von Vorurteilen, Intoleranz und Gewalt aufgrund politischer Stimmungsmache, die sich insbesondere gegen trans und intergeschlechtliche Menschen richtet.

Zudem herrscht zwischen theoretischer Zustimmung zu Werten und praktischer Akzeptanz im Alltag eine gewisse Diskrepanz und Widersprüchlichkeit. So betrachten viele das Ausleben der eigenen Sexualität klar als Grundrecht, die Hälfte der Bevölkerung stört sich aber gleichzeitig daran, wenn sich zwei Männer auf offener Strasse küssen.

Spannend: Auf die Frage, ob queere Personen im Verhältnis zum Rest der Bevölkerung zu viel Beachtung erhalten würden, antworteten:

  • 12 Prozent der Befragten mit «absolut nicht einverstanden»
  • 21 Prozent mit «eher nicht einverstanden»
  • 31 Prozent mit eher einverstanden»
  • 29 Prozent «sehr einverstanden»

Dass die Tamedia-Zeitungen (Tages-Anzeiger) in ihrer Berichterstattung ausgerechnet vor allem über diesen Punkt berichtete – Überschrift: «Mehrheit der Schweizer Bevölkerung sieht zu viel Beachtung für Queere» – ist eigentlich nicht verwunderlich. Die Erkenntnis, dass für queere Personen aber Vorsicht im Alltag oft notwendig ist, um Diskriminierungen oder Anfeindungen zu vermeiden, bleibt aber unerwähnt.

Jede dritte Person hat Gewalt erlebt

Ein erheblicher Teil der befragten Personen in der queeren Gemeinschaft hat regelmässig Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht. Beleidigungen, Bedrohungen und unangemessenes Anstarren sind für viele mehr oder weniger alltäglich.

Zwar habe die zunehmende öffentliche Sichtbarkeit von queeren Personen sowie Fortschritte in Recht und Gesetz dazu beigetragen, Vorurteile, Intoleranz und Gewalt zu reduzieren. Die politische Agitation gegen trans und intergeschlechtliche Personen mache diese Fortschritte aber teilweise zunichte. Gerade männliche, ältere, politisch rechtsstehende Personen und Menschen, die religiös sind, neigten dazu, sich weniger mit den Anliegen und Herausforderungen von queeren Menschen auseinanderzusetzen und ablehnende Haltungen zu zeigen.

Bleiben wir «woke» – wachsam gegenüber Ungerechtigkeiten und Diskriminierung

Auch in der Schweiz – nicht nur im Ausland – versuchen politische Akteure, religiöse Führer und Personen des öffentlichen Lebens, trans Personen zu instrumentalisieren, um ihre antidemokratische politische Agenda durchzusetzen. Dabei werden traditionelle Familienbilder und Geschlechterrollen propagiert und die Existenz von trans und nicht-binären Personen mit dem Hinweis abgetan, es gebe nur zwei unveränderbare Geschlechter. Gegen diesen auf uns zurollende Backlash müssen wir uns als geeinigte LGBTIQ+ Community wehren, denn er trifft schlussendlich auch die Menschen, die sich mit den Buchstaben L, G und B in unsere Community einordnen.

Quelle: Amnesty Schweiz | gfs.bern

Auf in den letzten Lebensabschnitt, oder anders: von «queer» zu «queeralternd»

Die letzten Monate haben mein Leben nicht nur ziemlich umgekrempelt, sie haben mich zeitweilig auch ziemlich aus der Bahn geworfen. Da war der monatelange Kampf meiner Schwester Priska gegen den Krebs, den sie im September verloren hat. Der letzte Überlebende meiner biologischen Familie zu sein, brachte mich ins Grübeln. Die Eltern zu überleben ist noch nachvollziehbar. Aber die «kleine Schwester»? Gleichzeitig mit dem Tod meiner Schwester wurde ich dann Ende November – nicht ganz freiwillig und im 29. Dienstjahr – aus wirtschaftlichen Gründen in die frühzeitige Pension geschickt.

Glücklicherweise wurde ich in diesen schwierigen Monaten von meinem Partner getragen und unterstützt. Ohne ihn wäre ich wohl definitiv verloren gewesen.

Ich bin jetzt ein «junger Alter»!

Beginnt mit der Pensionierung nun der letzte Lebensabschnitt? Ich ordne mich als «männlich» ein – und Männer werden in der Schweiz gemäss Statistik etwas über 82 Jahre alt. In den ersten 20 Lebensjahren werden wir dazu geformt, die darauffolgenden 40 Jahre durch Arbeit die Wirtschaft anzukurbeln und so ein wertvolles Mitglied dieser Gesellschaft zu sein. Und dann sind hoffentlich noch mindestens 20 Jahre dafür reserviert den letzten Lebensabschnitt zu geniessen – den Lebensabend zu verbringen!

Lebensabend? Was für ein Wort! Ich frage das Internet, was damit eigentlich gemeint ist. Die Antwort ist ernüchternd: Ab 60 setzte der Übergang ins Alter ein, die Altersgruppe zwischen 60 und 74 Jahren seien die sogenannten «jungen Alten», danach gelten Menschen als «hochbetagt».

Willkommen 2025!

In ein neues Jahr zu starten, bedeutet für viele, sich Vorsätze vorzunehmen. Das habe ich in den letzten Jahren nicht mehr gemacht. Das Leben ist eigentlich auch ohne «gute Vorsätze» überraschend genug. Als Sonntagskind bin auch sicher – und ich sehe dies phlegmatisch: Es kommt im Leben sowieso so raus, wie es kommen muss.

Ich habe mir vorgenommen, mich weiterhin aktivistisch zu betätigen und mich als «junger Alter» für queere, ältere Personen einzusetzen. Und dafür haben wir ja vor über einem Jahr hier in Bern sogar den Verein «queerAlternBern» gegründet.

Wichtig ist aber auch: Nicht nur die biologische Familie muss gehegt und gepflegt werden, sondern auch die Wahlfamilie. «Freundschaften brauchen Anlässe», hat mir vor ein paar Tagen ein langjähriger Freund geschrieben. Und diese Zeit will ich mir nehmen!

PS: Mein neuer Lebensabschnitt als «junger Alter» soll auch optisch sichtbar sein. Entsprechend trägt mein neuer Blog mein Kürzel «DRF» (da es in meinem Alter unzählige Daniels gibt) und im Untertitel das Wort «queeralternd».