Im Februar 2014 begann ich regelmässig zu «bloggen». Dabei stand eigentlich immer die Begrifflichkeit «stinknormal» im Vordergrund. Vor 50, 40, 30 Jahren nannten wir (verächtlich?) die heteronormative Mehrheit «Stinos» – Stinknormale eben. Und ein Frage, die ich mir noch immer stelle: Hatten wir, haben wir aber nicht tatsächlich immer das Ziel vor Augen, auch «so» zu werden, statt unser Recht auf Andersartigkeit zu betonen?
Früher mussten wir kämpfen, heute lobbyieren wir. Früher verkloppte uns die Polizei, heute gibt es pinke Cops. Früher ächtete uns die Politik, heute regieren wir mit.
Es war der Sonntag, 16. Februar 2014, als ich den ersten Blogbeitrag als Rückblick auf die davorliegende Woche schrieb. Themen waren eine bei der Bundeskanzlei eingereichte Initiative zum «Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule», die die Sexualkunde zur Nebensache degradieren wollte, ein von Network organisiertes Podium zu den Wahlen im Kanton Bern mit u.a. dem damaligen Regierungsrat Bernhard Pulver und die in Bad Schönbrunn durchgeführte «Begegnung schwuler Männer», kurz BSM. Ich notierte; «Wir waren fast 70 schwule Männer, die einen der neun Workshops besuchten, um beispielsweise gemeinsam zu meditieren, zu fotografieren, zu kochen, sich berührend zu berühren oder miteinander zu singen – oder eben wie ich einen Radio-Workshop anzubieten.» Der Workshop war mit «Radio BSM» überschrieben und wurde im damaligen GAYRADIO (heute QueerUp Radio) auf Radio RaBe ausgestrahlt.
GAYRADIO
Es war irgendwann im 2004 als ich mich erstmals vors Mikrofon von GAYRADIO setzte. Ins Leben gerufen wurde dieses Sendegefäss auf Radio RaBe vom viel zu früh verstorbenen Andreas Blum.
Im September 2010 veröffentlichte das Mannschaft-Magazin unter dem Titel «Ein Radio für alle» einen Artikel über das GAYRADIO. Im Gespräch mit Greg Zwygart sagte ich damals, dass eine beachtliche Zahl der Zuhörenden der Sendung «nicht schwul, sondern heterosexuell» seien. Und das sei gut so, denn während den Sendungen würden «nicht die sexuelle Ausrichtung von Schwulen und Lesben im Vordergrund stehen, sondern ihre Persönlichkeiten».
Wie unsere Community entwickelte sich GAYRADIO natürlich ebenfalls von der schwulesbischen hin zur queeren Sendung – eben zum heutigen QueerUp Radio. Ich moderierte Ende 2018 meine letzte Sendung.
Sonntag für Sonntag einen Blogeintrag, den ich genau vor zehn Jahren veröffentlicht habe
11. Januar 2015: Von Muslimen und Mehrheiten
Vor zehn Jahren hat die deutsche Bertelsmann Stiftung die Resultate einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage veröffentlicht. Wissenschaftler analysierten, wie Muslime in Deutschland leben und wie der Islam von der Mehrheit wahrgenommen wird: Spannendes Resultat auf den Punkt gebracht: Die Mehrheit der «ziemlich bis sehr religiösen» Muslime akzeptierte in dieser Umfrage vor eben zehn Jahren die «Homo-Ehe» – eine Mehrheit der nicht-muslimischen Deutschen aber nicht den Islam.
2. Januar 2015: Leelah
Am 28. Dezember 2014 wirft sich die 17-jährige Leelah im US-Staat Ohio vor einen Sattelschlepper. In ihrem Abschiedsbrief, der sich millionenfach verteilte, schrieb sie: «Die einzige Möglichkeit in Frieden zu ruhen ist für mich, wenn eines Tages trans Menschen nicht mehr auf die Art und Weise behandelt werden, wie ich es wurde.»