Kategorie: aktivistisch

Well, that stink!

Einfach nur den Kopf schütteln? Sich lauthals dagegen wehren? Oder sich vielleicht sogar anbiedern? Sind die Zeiten nur verrückt? Oder erleben wir gerade den Beginn eines riesengrossen Backlash? Und wann hat gerade der Hass auf queere Menschen auch direkten Einfluss auf das Leben von queeren Menschen in unserer kleinen Schweiz?

Letzten Freitag: US-Vizepräsident JD Vance spricht auf der Münchner Sicherheitskonferenz – und warnt dabei vor «Zensur» und auch von «unkontrollierter Einwanderung». Man müsse den Bürger*innen erlauben, «die eigene Meinung zu sagen», so Vance. So weit so demokratisch. Die grösste Bedrohung gehe derzeit aber nicht von Russland oder China aus, sondern von den europäischen Regierungen, befand Vance weiter. Als Beispiel nennt er u.a. und indirekt die Debatte über eine Abgrenzung zur AfD. Vance: «Es gibt keinen Platz für Brandmauern». So weit so populistisch. Dabei gilt die AfD für den deutschen Verfassungsschutz seit 2021 als «Verdachtsfall» und wurde in mehreren Bundesländern als eindeutig verfassungsfeindlich eingestuft.

Gestern Samstag: Bundeskanzler Olaf Scholz kontert scharf: «Wir werden wir es nicht akzeptieren, wenn Aussenstehende zugunsten dieser Partei in unsere Demokratie, in unsere Wahlen, und in die demokratische Meinungsbildung eingreifen». Und in der Schweiz äussert sich auch «unsere» Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (FDP). In einem Interview mit der Tageszeitung «Le Temps» bezeichnet sie Vances Rede als «Plädoyer für die direkte Demokratie». Sie teile viele der von Vance erwähnten Werte, sagt Keller-Sutter weiter. Dazu gehörten Werte «wie Freiheit und die Möglichkeit für die Bevölkerung, ihre Meinung zu äussern». Die «liberale» Rede des US-Aussenministers sei ein Plädoyer für die direkte Demokratie gewesen und in einem «gewissen Sinne sehr schweizerisch».

Letzten Donnerstag: Während wir uns über den US-Aussenminister und die CH-Bundespräsidentin wundern, entfernte der in den USA für Denkmäler zuständige «National Park Service» die Erwähnung von trans und queeren Personen von der offiziellen Webseite des «Stonewall National Monument» in New York. Ich bin «gwundrig» und klicke auf der Webseite auf den Link, der eine Videoserie über die Geschichte des Stonewall-Aufstandes verspricht. Statt der Videos erscheint allerdings ein Bild eines Stinktiers und der Hinweis «Well, that stink».

Der damalige US-Präsident Barack Obama hatte den Ort rund um die Bar «Stonewall Inn», bei der 1969 die Ausschreitungen an der Christopher Street begannen, 2016 zur Gedenkstätte für die Geschichte der queeren Bewegung erklärt. Seitdem erinnert unter anderem der kleine Park gegenüber der Bar an die Stonewall Riots.

Klar ist: Die neue US-Regierung unter Präsident Donald Trump betreibt eine Politik der Ausgrenzung und Auslöschung!

Aus dem Archiv: «Zeitsprung» auf Radio RaBe zu «50 Jahre Stonewall»

Der Stonewall-Aufstand gilt als Geburtsjahr der modernen LGBTIQ-Bewegung. Am 28. Juni 1969 kam es in Folge einer polizeilichen Razzia in der Szene-Bar «Stonewall Inn» an der Christopher Street in New York zu tagelangen Unruhen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen LGBTIQ und den Polizeikräften.

Wilma Rall von der Info-Redaktion von Radio RaBe hatte mich für die Sendung «Zeitsprung» vom 28. Mai 2019 zu «50 Jahre Stonewall» und die Auswirkungen des Aufstandes auf Bern befragt – etwa über den Film «Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation in der er lebt», die Gründung von hab queer bern und die «Schwulen-Kartei» der Stadtpolizei Bern.

Wohnsituation der älteren Menschen in der Schweiz analysiert

Das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) hat diese Woche eine von der Hochschule Luzern durchgeführte Studie zum Thema «Wohnen im Alter» veröffentlicht.

Rausgekommen ist dabei erstens: Viele ältere Menschen in der Schweiz wohnen günstig, zentral und geräumig. Doch oft sind ihre Wohnungen weder altersgerecht noch barrierefrei. Und zweitens – und diese Erkenntnis finde ich für meine Arbeit im Verein queerAlternBern besonders wichtig: Gerade alleinstehende ältere Personen leben häufig isoliert. Wichtig ist somit beim Thema «Wohnen im Alter» nicht nur die Wohnsituation, sondern gerade auch die drohende Einsamkeit.

77 Prozent der älteren Menschen leben gemäss der Studie allein oder ausschliesslich mit gleichaltrigen Personen, was das Risiko erhöhe, dass im Alltag Unterstützung fehlt. Besonders ältere Frauen sind betroffen, und Einsamkeit kann die körperliche und geistige Gesundheit beeinträchtigen. Hier besteht laut der Studie ein klarer Bedarf an unterstützenden Netzwerken und Dienstleistungen, um so lange wie möglich ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.

Beim Thema «Wohnen» gibt die Studie vor, dass es Ziel sein muss, sicheren und lebenswerten Wohnraum zu schaffen, der die Lebensqualität älterer Menschen fördert. Erreicht werde dies, indem altersgerecht renoviert, barrierefrei gebaut und Wohnungen erstellt werden, die eine enge Verbindung zu Pflegeeinrichtungen haben. Für den Verein queerAlternBern resultiert daraus, dass queersensible Betreuung und Pflege schlussendlich auch eng mit der Schaffung von queerem Wohnraum für ältere Personen verbunden ist.

Ich bin überzeugt: Wir queeralternden Menschen sind selbst dafür verantwortlich, die in der Studie als wichtig betrachtenden Netzwerke und Dienstleistungen für ein selbstbestimmtes Altern in einem selbst gewählten (queeren) Umfeld einerseits selbst zu schaffen und anderseits auch von der Politik und der Gesellschaft einzufordern.

Link zur Studie

«Sech trumpiere»

Die Überschrift dieses Posts bedeutet so viel wie «falsch einschätzen, falsch beurteilen, sich irren, sich täuschen (lassen)». Ob es Zufall ist, dass im berndeutschen Wort «trumpiere» der Name des aktuellen Präsidenten der USA vorkommt?

Kurz nach seiner Vereidigung ordnet Donald Trump an, dass der Politik der Vereinigten Staaten fortan die Annahme zugrunde liegen soll, dass es nur zwei Geschlechter gibt: männlich und weiblich.

Präsident Donald Trump unterschreibt einen Erlass, wonach ab sofort an US-Einrichtungen nur noch die Fahne der Vereinigten Staaten gezeigt werden darf – sowohl im Inland als auch im Ausland. Gerade die Regenbogenfahne sei «anti-amerikanisch» und mache «traditionelle Amerikaner» wütend.

Über Washington stossen ein Flugzeug und ein Helikopter zusammen, stürzen ab. Menschen sterben – und US-Präsident Trump macht Diversitätsprogramme bei der Flugsicherung für das Unglück verantwortlich.

Und fast gleichzeitig fordert das von den Republikanern kontrollierte Repräsentantenhaus des US-Bundesstaates Idaho mit 46 zu 24 Stimmen den Supreme Court auf, die 2015 ausgesprochene Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wieder zurückzunehmen.

Ich stelle mir die Frage, ob es auch bei uns in der kleinen Schweiz Spuren von «Trumpismus» gibt. Ist ein Trump auch in der Schweiz möglich? «Trumpieren» sich auch in der Schweiz Menschen?

Ich suche im Internet nach dem aktuellen Parteiprogramm der SVP und lese da eigenartiges über «Auswüchse der Trans-Kultur». Hinter eben dieser «Trans-Kultur» stehe die Behauptung, «das Geschlecht sei nicht biologisch bedingt», sondern ein «soziales Konstrukt». In der Praxis führe das zu immer mehr unverhältnismässigen und teuren Massnahmen für eine klitzekleine Minderheit. So werde etwa für das «Es» in Schulen und Öffentlichkeit eigene Toiletten gebaut. Kinder und Jugendliche würden so gerade während ihrer Identitätsfindung verunsichert, missbraucht, «um sie ideologisch zu beeinflussen». So könnten in der Schweiz seit Januar 2022 sogar «Jugendliche ab 16 Jahren Geschlecht und Vorname im Personenstandsregister in wenigen Minuten ändern lassen» – aber gleichzeitig «keine Fahrstunden nehmen». Dieser « amtlich bescheinigte Geschlechtswechsel» würde auch die Tür zum Missbrauch öffnen, beispielsweise wenn «sich Herr Müller als Frau Müller eintragen lässt» um so der Militärpflicht zu entgehen oder sich andere «Vergünstigungen zu erschleichen».

Mann oder Frau? Oder doch mehr?

«Geschlecht» ist doch eigentlich eben viel mehr als körperliche Merkmale, vorbestimmte soziale Eigenschaften oder das eigene Erleben und das äussere Erscheinungsbild. Entsprechend kennen selbst Biologie und Medizin viele Geschlechter: Das Anatomische, das Hormonelle, das Genetische, das Chromosomale und einige mehr. Bei dieser Vielzahl von Eigenschaften, kann also kaum behauptet werden, dass es nur zwei Geschlechter, nur Mann oder Frau, gibt.

Allerdings ist in unserer Gesellschaft die Einteilung in zwei Geschlechter – eben das binäre Geschlechtersystem – noch weitgehend üblich. Dabei wird allerdings übersehen: Zu welchem Geschlecht oder zu welchen Geschlechtern mensch sich zugehörig fühlt (männlich, weiblich, nicht-binär, trans) ist immer individuell.

Wir müssen uns alle bewusst sein: Wer nicht in das binäre Geschlechtersystem passt, übersehen und nicht mitgedacht wird, sich ständig erklären muss, kann darunter leiden – werden diskriminiert oder sogar angegriffen. Und das kann erhebliche, auch gesundheitliche Folgen haben, denn Vielfalt und Gesundheit hängen eng zusammen.

Machen wir uns deshalb bewusst, dass die Geschlechtsidentität vielfältig ist und dass auch eine nicht-binäre Vorstellung von Geschlecht keine Diskriminierung rechtfertigt. Seien wir uns dabei auch bewusst, dass die Geschlechtsidentität eines Menschen nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun hat. So ist meine geschlechtliche Identität «männlich» und meine sexuelle Orientierung «schwul».

An dieser Stelle möchte ich Mariann Edgar Budde zitieren. Die anglikanische Bischöfin von Washington sagte in einem Gottesdienst in der National Cathedral kurz nach der Amtseinführung direkt an Präsident Trump: «Im Namen unseres Gottes bitte ich Sie, haben Sie Erbarmen mit den Menschen in unserem Land, die jetzt Angst haben. … Es gibt schwule, lesbische und transgeschlechtliche Kinder in demokratischen, republikanischen und unabhängigen Familien. Manche fürchten um ihr Leben.»