Kategorie: aktivistisch

Einsamkeit im Pflegeheim ist prominent

Im Dezember 2023 wurde in Bern der Verein «connect!» gegründet. Zweck des Vereins ist die Prävention von Einsamkeit und die Linderung der negativen individuellen und gesellschaftlichen Folgen von Einsamkeit in der Schweiz.

Mit Fachtagungen und verschiedensten Projekten will «connect!» gegen die Einsamkeit angehen und hat hierzu diverse spannende Berichte zu Einsamkeit im Alter erstellt. Darunter u.a. eine Literaturanalyse «Einsamkeit im Alter», welche beim Schweizer Institut für Sucht- und Gesundheitsforschung ISGF in Auftrag gegeben wurde. Wichtigste und traurige Erkenntnis daraus: Die höchste Zahl an einsamen Menschen im Alter gibt es in Alters- und Pflegeheimen.

Auszug mit den Gründen:

Perspektive der Bewohner*innen von Langzeitpflegeeinrichtungen: Einsamkeit im Pflegeheim ist prominent. Die Beschreibung der Einsamkeit divergierte von Alleinsein über Langeweile bis hin zum Gefühl, sich nicht zuhause zu fühlen. Als Ursache von Einsamkeit werden personenbedingte und heimstrukturelle Faktoren in Betracht gezogen: physische Trennung, Heimweh, erschwertes Knüpfen von Kontakten nach Heimeintritt, fehlende ausserinstitutionelle Kontakte sowie starre Hierarchien, fehlende Autonomie, Mangel an Aufgaben und Abwechslung, eingeschränkte Partizipation. Mit dem Umzug ins Pflegeheim geht ein Abgeschnittensein von der Aussenwelt einher. Auch während eines mehrjährigen Aufenthaltes im Heim gelingt es den Bewohner*innen nicht, «bedeutungsvolle und sinnhafte Beziehungen» aufzubauen, so die Autor*innen. Der Kontakt zu kognitiv eingeschränkten Mitbewohner*innen führt zum Rückzug der nicht-beeinträchtigten Personen und zu einem Gefühl der Nicht-Zugehörigkeit. Teilweise wurde eine stigmatisierende Haltung gegenüber einsamen Gleichaltrigen festgestellt. Das Ausmass der Krankheitsakzeptanz, die Fähigkeit, sich auf Veränderungen einzustellen, und die Lebenszufriedenheit beeinflussen das Ausmass der gefühlten Einsamkeit. Das Sterberisiko war bei den «manchmal einsamen» und den «immer einsamen» Bewohner*innen signifikant höher als bei den «nicht einsamen». Schlussfolgerung der Autor*innen: Einsamkeit hat schwerwiegende Folgen im institutionellen Umfeld und verdient daher mehr Aufmerksamkeit in Pflege und Forschung. (Seite 20)

Die Literaturanalyse ist recht umfassend und unterscheidet auch verschiedene Diversitätskriterien. (Noch) keine Hinweise gibt es zu LGBTIQ. Wir müssen wohl einfach davon ausgehen, dass es für LGBTIQ nochmals potenziert ist, da der Kreis kleiner und häufig keine Nachkommen.

Und was wirkt? Eine Erfahrung aus Irland

Irland: ehrenamtliches Besuchsprogramm für ältere Menschen, randomisierte Studie (Lawlor et al., 2014): Peer-Besuchsintervention für in der Gemeinschaft lebende ältere Menschen mit Einsamkeitserfahrungen. Freiwillige bauten während zehn Hausbesuchen eine Beziehung zu den von Einsamkeit Betroffenen auf und ermutigten sie, soziale Bindungen zu finden. Die Einsamkeit verringerte sich in der Interventionsgruppe zu verschiedenen Follow up-Zeitpunkten. Auch für die Freiwilligen wurde ein Nutzen, insbesondere ein Rückgang der eigenen Einsamkeit, festgestellt. Die Massnahme ist kostengünstig und kann in bestehende Unterstützungsdienste (z.B. NGOs) integriert werden. (Seiten 21/22)

Fazit aus der Sicht von queerAlternBern: Mit der Idee von «Queer begleitet Queer» und dem Projekt «queer key» setzen wir an einem wichtigen und am richtigen Ort an! Und präventiv mit all den Möglichkeiten der Teilhabe im Verein queerAlternBern sowieso!

→ Link zu «connect! gemeinsam weniger einsam» 

Ungarn verbietet Pride

In Bern freuen wir uns bereits sehr auf unsere Pride vom 2. August dieses Jahres, denn eine Pride ist viel mehr als nur eine farbenfrohe Feier – es ist eine Demonstration für Gleichberechtigung und Akzeptanz, die den Ursprung in den Stonewall-Unruhen vom Juni 1969 in New York haben, als sich queere Menschen endlich gegen die willkürlichen Polizeirazzien wehrten. Deshalb ist es für mich unbegreiflich, dass Ungarn nun die Durchführung einer Pride verbietet.

Beschlossen wurde das Verbot der Pride im ungarischen Parlament in Budapest im Eilverfahren mit 137 Ja- und 27-Nein-Stimmen. Personen, die sich nicht an das Verbot halten, droht eine Geldstrafe von rund 480 Franken – gleichgültig ob du nun Teilnehmer*in oder Organisator*in bist. Dabei soll eine Gesichtserkennungssoftware eingesetzt werden. Begründet wird das Verbot mit dem Kinderschutz. Bereits seit 2021 verbietet Ungarn Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Informationen über nicht heterosexuelle Lebensformen. Entsprechende Bücher, Filme und andere Medien dürfen demnach nicht für Minderjährige zugänglich sein.

Und bereits plant die ungarische Regierung unter dem rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán eine Verfassungsänderung, nach der ein Mensch ausschliesslich als Mann oder Frau definiert wird. Seit Dezember 2020 schreibt Ungarns Verfassung zudem vor, dass eine Mutter nur eine Frau und ein Vater nur ein Mann sein kann.

Die erste «Budapest Pride» fand übrigens 1997 statt – und bis zur Pride im Juli 2007 gab es nur vereinzelte Proteste. 2003 skandierte Rechtsradikale Parolen wie «Dreckige Schwule». 2004 bliesen christliche Aktivisten in Trillerpfeifen und hielten Schilder mit Bibelzitaten hoch, 2005 und 2006 verhöhnten Neonazis und Rechtsextreme die Teilnehmenden. Während der Pride im Juli 2007 kam es dann zu grossen Proteste. Mehrere hundert Polizisten eskortierten den Umzug in voller Kampfmontur. Gegendemonstrant*innen skandierten «Dreckige Schwuchteln!» und warfen Eier und leere Bierdosen auf die Teilnehmenden der Pride. Die Polizei konnte einen brutaleren Angriff auf die Parade nur knapp verhindern. Jahr für Jahr wurde der Druck gegen die «Budapest Pride» grösser und gipfelt nun in diesem Jahr mit dem Verbot.

Ungarn gehört seit 2004 zur Europäischen Union.

Frau – Mann – Divers

Bereits seit Ende 2018 haben in Deutschland trans, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen die Möglichkeit, beim Eintrag ins Personenstandsregister ausser «männlich» und «weiblich» auch «divers» oder «ohne» zu wählen. Damit gehört Deutschland zu den wenigen Staaten weltweit, die die Existenz von mehr als zwei Geschlechtern rechtlich anerkennen.

Übrigens: Deutschland ist in Sachen «Divers» der Schweiz einen wesentlichen Schritt voraus: Denn bereits im Dezember 2022 kam der Bundesrat in einem Bericht zum Schluss, dass die Auswirkungen eines neuen Geschlechtermodells in der Gesellschaft «noch nicht ausreichend diskutiert» worden sei und deshalb die Voraussetzungen für die Einführung eines dritten Geschlechts «derzeit» nicht gegeben ist.

Und im Land von Trump und Konsorten? Da müssen aufgrund einer «Executive Order» vom Januar 2025 Einreisende in Zukunft bei Anträgen für ein Visum entweder das Geschlecht «männlich» oder «weiblich» angeben – und zwar der Geschlechtseintrag der antragstellenden Person zum Zeitpunkt der Geburt.

Diese neue alte Regelung veranlasst das Auswärtige Amt Deutschlands einen Reise- und Sicherheitshinweis zu den USA zu veröffentlichen: Da steht nun also: «Reisende, die den Geschlechtseintrag «X» innehaben oder deren aktueller Geschlechtseintrag von ihrem Geschlechtseintrag bei Geburt abweicht, sollten vor Einreise die zuständige Auslandsvertretung der USA in Deutschland kontaktieren und die geltenden Einreisevoraussetzungen in Erfahrung zu bringen». Dabei bleibt völlig unklar, ob nun die USA tatsächlich gültige deutsche Reisepässe nicht (mehr) anerkennt und Menschen, die sich weder als «männlich» noch «weiblich» einordnen wollen oder können bei der Einreise abweisen.

Sollte die USA tatsächlich trans, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen die Einreise verbieten ist dies nicht nur ein Eingriff in deutsche Angelegenheiten, sondern schlicht rechtswidrig.

Die von Donald Trump am 20. Januar 2025 unterzeichnete «Executive Order» trägt übersetzt den Titel «Schutz der Frauen vor geschlechterideologischem Extremismus und Wiederherstellung der biologischen Wahrheit». Mit dieser Anordnung anerkennt die US-Regierung nur noch zwei Geschlechter: männlich und weiblich und so wurden zahlreiche Schutzmassnahmen und das Recht auf Selbstidentifikation für trans, nicht-binäre und intergeschlechtliche Menschen abgeschafft. Zudem darf in offiziellen Dokumenten nur noch das bei Geburt zugewiesene Geschlecht eingetragen werden.

Dieser schreckliche Backlash in den USA ist schlicht ein Angriff auf die Menschrechte!